Montag, 14. August 2006

Ganz kurz!

Hallo Bob !

Freut mich, daß es dir auch halbwegs gut geht. Übrigens, ich hab auch ein Haustier und er heißt auch Chipsy. ist ein Hund und er hat auch einen Floh.
Den will ich, bitte nicht persönlich nehmen, aber grad los werden.

Meld mich später nochmal
Alex

Update von Bob

Hey Alex!

Das ist ja eine Geschichte! Wahnsinn!
Cool das mit dem Film. Wo kann ich den sehen? Kannst nicht mal ein paar DVD´s wegschmeißen? Vielleicht landet ja mal eine hier auf dem Müllplatz.

Ich habe auch lange gebraucht unsere Trennung zu verarbeiten.
Damals als man mich wegwarf kam ich ja auf eine Mülldeponie, auf der ich schon seit 24 Jahren lebe. Meine Nachbarn hab ich dir ja schon mal kurz vorgestellt. Steve, der Blinddarm und ich ziehen viel um die Tonnen. Ich habe ihn vor 22 Jahren kennengelernt, als die letzte Lieferung vom Krankenhaus auf diesen Müllplatz kam. Er wußte nicht wohin und so nahm ich ihn bis zu seinem Umzug bei mir auf. Sowas verbindet eben. Wir haben viel gemeinsam. Auch er war lange Zeit der Meinung, dass ihn niemand braucht und er darum weggeschnitten wurde. Wir sind echt ein cooles Team. Manchmal glaube ich, ich liebe Ihn, aber ich bin doch nicht schwul oder so was.
Oft bin ich schon sehr einsam in meiner Tonne seit er ausgezogen ist. Aber er wohnt ja gleich nebenan. Meine Gegend gehört ja nicht zu den sichersten Plätzen hier. Ständig müssen wir uns vor der blöden Rattengang in acht nehmen. Die wollen uns ständig ans Fleisch. Aber wir sind hart im nehmen und noch viel härter im geben.
Aja, ich habe auch ein Haustier. Mein Floh Chipsy. Den hab ich mir von der Flohzucht des Nachbarhundes Jimmy geholt. Er ist so ein süßer Fratz.
So, das war genug für diesmal.
Bis dann

Dein Bob

Nachricht an Bob

Lieber Bob !

Du möchtest wissen, wies mir geht und wie ich lebe?
Geb dir mal ein kurzes update.

Wie du ja weißt, kam ich INTERSEXUELL zu Welt, also mit uneindeutigen Genitalien. Ich hieß die ersten 2 Jahre meines Lebens JÜRGEN. Aber dann meinten die Ärzte, ich solle weiterhin als Mädchen aufwachsen und erzogen werden da ich nie wie ein Junge aussehen würde. Von da an nannten meine Eltern mich ALEXANDRA. Wäää, was für ein grausliger Name. Ich nenne mich heute einfach nur ALEX. Mit 6 Jahren wurden wir ja getrennt, wie wir schmerzlich zu spüren bekamen und man hat dich einfach weggeworfen. 4 Jahre später mussten dann auch Ping und Pong dran glauben, da die sich ständig in den Leisten versteckten und die Ärzte meinten, sie täten mir nicht gut und so wie die sich benehmen, würden sie über kurz oder lang entarten.
Ich habe auch keine Ahnung, was mit ihnen geschehen ist. Ich nehme mal an, du hast auch nichts von ihnen gehört?
Langsam begann ich , euch zu vergessen oder zu verdrängen. Es tut mir leid, aber so war es damals. Ich versuchte das nette Mädchen zu sein und ging brav in die Schule. Ich habe zu dieser Zeit eigentlich nie mehr an euch gedacht, bis mir ein Arzt mit 12 Jahren von euch erzählte. Anfangs wollte ich es nicht wahr haben, dass es euch wirklich gab, aber schon bald konnte ich mich wieder erinnern. Dass ihr nicht mehr bei mir seid, machte mir schwer zu schaffen, auch wenn ich es mir am Anfang nicht eingestehen wollte. Ich kam einfach nicht zurecht. Ich verkroch mich in meine Höhle und war sehr viel alleine. Irgendwann, als ich glaubte, eine vollständige Frau werden zu müssen, eben ganz normal, wie die Ärzte meinten, habe ich mir dann noch ein Loch bohren lassen. Ich dachte, wenn ich das erst habe, dann liebt mich vielleicht mal irgendwer. Aber Fehlanzeige. Ich benutzte es zwar in dem nächsten Jahren sehr fleißig, aber schön war es nie für mich. Und NORMALER fühlte ich mich damit auch nicht. Irgendwann zwischen 16 und 18 begann ich, mich mit dem Messer zu ritzen versuchte, meine Gedanken mit Drogen abzustellen. Das gelang aber nur teilweise. Mit 19 bekam ich dann Leukämie und war lange im Krankenhaus. Hört sich schlimm an, war aber im Nachhinein das beste, was mir passieren konnte. Endlich begriff ich, dass ich anfangen musste, meinen Körper zu akzeptieren und lernen musste, ohne euch zu leben. Eben nicht mehr GANZ zu sein. Ich fing an, meinen wenigen Freunden von uns zu erzählen. Was uns passiert war. Und umso schöner war es, als ich merkte, dass die mich irgendwie besser verstehen konnten, als vorher. Das machte mir sehr viel Mut. Ich lernte viele liebe Menschen kennen, denen es genauso oder ähnlich geht wie mir. Das half noch viel mehr. Zu wissen, dass ich nicht alleine bin.
Irgendwann rief ich dann bei FM4 an und erzählte Öffentlich, was mit uns gemacht wurde. Das hörte Elisabeth und wir beschlossen, einen Film darüber zu machen.
Stell dir vor, der läuft sogar im Kino. Was sagst du dazu?
Jetzt wohne ich in Wien und versuche, eine Selbsthilfegruppe zu gründen. Letztes Wochenende haben wir uns das erste mal so richtig offiziell getroffen. Das war echt schön.
Mir geht es heute besser als je zuvor. (Als nicht besser, als zu der Zeit, in der wir noch Eins waren natürlich) Aber manchmal bin ich echt noch oft ziemlich scheiße drauf.
Drum bin ich sehr froh, dass ich jetzt wieder Kontakt mit dir habe, du hast mir sooo gefehlt.

Ich hoffe wir bleiben in Kontakt Bob.

In Liebe

Sein Alex

Ich bin ja sowas von Erleichtert !

Lieber Alex !

Ich bin so froh, daß wir uns wieder gefunden haben. Wenn auch nur in mentaler MAIL-FORM. Ich wußte ja nicht, daß du mich nicht absichtlich hast loswerden wollen. Dachte immer, du wolltest mich nicht und hast mich deshalb Kastrieren lassen.

Mir geht es so lala. Ich lebe in dem Abfalleimer, in den man mich nach der "KASTRATION" geworfen haben. Und der steht nun irgendwo auf einer Müllhalde. Von Ping und Pong fehlt jede Spur. Keine Ahnung, was mit ihnen passiert ist. Eigentlich dachte ich ja, sie wären noch bei dir. Als ich weg musste, als du 6 warst, waren sie ja noch bei dir.

Ich habe hier ein ruhiges Plätzchen erwischt und einige freundliche Nachbarn in meiner umgebung. Nur das doofe Geschwür von nebenan geht mir manchmal sowas von auf die Nüsse! - Oh entschuldigung, ich wollte nicht indiskret sein.
Der Blinddarm vom Kübel Nr. 8 ist mein bester Freund. Er sieht zwar ziemlich schlecht, aber wir verstehen uns sehr gut. Aber dich kann er um nichts in der Welt ersetzen.

Erzähl mal, wie es dir so geht und wie du lebst.

Ich liebe und vermisse dich !

Dein Bob

Hallo Bob, so eine freudige Überraschung !

Hey bob, wie gehts dir und wo bist du? Es war wirklich nicht meine Absicht, dich wegzugeben. Ich kann nix dafür. Die Ärzte meinten damals, du würdest nicht zu mir gehören und müßtest weg. Sie meinten, ich bin INTERSEX und würde besser dran sein, wenn man mich als Mädchen erzieht. Dabei hättest du allerdings nix verloren und deine Kollegen Ping und Pong mussten auch dran glauben.
Aber heute weiß ich es besser und ich vermisse dich auch schrecklich.
Da ich vom "FRAU - spielen müssen" die Schnauze voll hatte, versuche ich heute als Mann durchs Leben zu gehen. Aber ohne dich ist das nicht das Selbe. Eine große Leere (nicht nur zwischen den Schenkeln) hat sich bei mir breit gemacht und ich hatte das Gefühl, nie wieder etwas von dir zu hören.

Mein Gott, ich bin sooo froh, daß wir wieder Kontakt miteinander haben.

Lass bald wieder was von dir hören !

Dein Alex

Bob sagt hallo

Hallo, Ich bin Bob. Ein abgeschnittener Penis der im Abfalleimer lebt. Mein damaliger "Träger" Alex muss heute leider ohne mich leben, da Ärzte mich ihm abgeschnitten und einfach weggeworfen haben. Ich habe gehört, daß es noch viel mehr Zipfel wie mich gibt, die in Abfalleimern leben, so wie ich. Persönlich habe ich noch keine anderen kennengelernt, aber mein Ex-Träger kennt viele von deren EX-Trägern. Da ich Alex wie verrückt vermisse, versuche ich heute, wieder mit ihm in Kontakt zu treten. Mal sehen, ob das klappt.
Ich konzentriere mich stark auf ihn und rufe gaaaaaaaanz laut:

"ALEX, kannst du mich höööören?"

Dickless

Dialoge aus dem Abfalleimer

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